Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit eines Testaments zugunsten einer Berufsbetreuerin
Kategorie: Erben & vererben
In einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Celle wurde über die Frage, ob ein notarielles Testament sittenwidrig sein kann, wenn eine Berufsbetreuerin ihre Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser ausnutzt, entschieden.
In der Folge erklären wir die wesentlichen Punkte des Beschlusses:
Hintergrund des Falls
Ein älterer, kranker und alleinstehender Mann hatte ein notarielles Testament errichtet. In diesem setzte er seine Berufsbetreuerin als Alleinerbin ein. Nach seinem Tod zweifelten die Angehörigen des Erblassers die Gültigkeit des Testaments an und argumentierten, dass die Berufsbetreuerin ihre Machtposition und ihren Einfluss missbraucht habe, um sich selbst zu bereichern.
Kernfrage des Urteils
Das Gericht musste entscheiden, ob das Testament sittenwidrig und daher ungültig ist, weil die Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung missbraucht hat, um den Erblasser zu beeinflussen.
Entscheidung des Gerichts
Das OLG Celle entschied, dass das Testament sittenwidrig und damit ungültig ist. Es stellte fest, dass die Berufsbetreuerin ihre Stellung und ihren Einfluss auf unzulässige Weise genutzt hatte, um sich als Alleinerbin einsetzen zu lassen.
Begründung
- Missbrauch der Betreuerstellung:
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Berufsbetreuerin ihre Machtposition und den psychischen Zustand des Erblassers ausgenutzt hatte. Dies widerspricht den guten Sitten und stellt einen klaren Missbrauch ihrer Rolle dar. - Beeinflussung des Erblassers:
Durch die Ausnutzung ihrer Stellung als Betreuerin konnte die Berufsbetreuerin den Erblasser zu einer testamentarischen Verfügung bewegen, die ohne diesen Einfluss nicht erfolgt wäre. Das Gericht erkannte hier eine Manipulation zum eigenen Vorteil. - Sittenwidrigkeit:
Ein Testament ist sittenwidrig, wenn es unter Bedingungen erstellt wurde, die gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen. In diesem Fall war der Einfluss der Betreuerin auf den Erblasser so stark und unangemessen, dass das Testament als sittenwidrig eingestuft wurde.
Folgen des Urteils
Das notarielle Testament wurde für ungültig erklärt. Das bedeutet, dass die Erbschaft nach den allgemeinen gesetzlichen Erbregeln oder einem eventuell früher errichteten Testament des Erblassers verteilt wird. Die Berufsbetreuerin erhält somit nichts aus dem Nachlass.
Fazit
Das Urteil zeigt, dass Gerichte genau prüfen, ob bei der Erstellung eines Testaments unzulässiger Einfluss genommen wurde, insbesondere wenn eine Person in einer Machtposition wie eine Berufsbetreuerin beteiligt ist. Es verdeutlicht auch, dass Testamente sittenwidrig und ungültig sein können, wenn sie unter Ausnutzung von Schwäche und Abhängigkeit des Erblassers zustande kommen.
Oberlandesgerichts (OLG) Celle vom 9. Januar 2024 (Az. 6 W 175/23)
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