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Gültigkeit eines handschriftlich abgefassten Testaments nach vorgenommenen Änderungen

Kategorie: Erben & vererben

Wird ein privatschriftliches Testament in der Wohnung des Erblassers gefunden und kann ausgeschlossen werden, dass Dritte ungehinderten Zugriff darauf hatten, ist davon auszugehen, dass Veränderungen an der Urkunde vom Erblasser selbst vorgenommen wurden.

Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände kann davon ausgegangen werden, dass großflächige Durchstreichungen, die sich über die gesamte Urkunde erstrecken, in Widerrufsabsicht angebracht worden sind. So urteilte das Oberlandesgericht München gemäß Beschluss vom 13.10.2023, 33 Wx 73/23 e.

Zum Sachverhalt

Die Erblasserin ist im September 2020 verstorben, sie war geschieden und kinderlos und hinterließ ein handschriftliches Testament vom 07.03.2020. In diesem setzte sie ihren Freund/Lebensgefährten, den Beteiligte zu 1, als Alleinerben ein. Ihre Brüder, die Beteiligten zu 2 und 3, wurden ausdrücklich enterbt.

Das dreiseitige Testament weist über alle drei Seiten jeweils mehrere Durchstreichungen auf, die den gesamten Text umfassen. Zudem wurde ein undatiertes und nicht unterschriebenes maschinenschriftliches Testament aufgefunden, das im Wesentlichen denselben Inhalt wie das handschriftliche Testament hat. Auf Grundlage des Testaments vom 07.03.2020 beantragte der Beteiligte zu 1 einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweisen soll. Das Nachlassgericht kündigte mit Beschluss vom 21.04.2022 die Erteilung eines solchen Erbscheins an. Es stützt seine Entscheidung im Wesentlichen auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf 3 Wx 63/16, wonach „bei – unterstellter – Urheberschaft des Erblassers in Bezug auf die Streichung grundsätzlich eine Vermutung für einen entsprechenden Aufhebungswillen spricht, diese widerlegt (sei), wenn sich … der Wille des Erblassers ergibt, dass der durch die Streichung nahegelegte Widerruf der Verfügung bloß eine neue letztwillige Verfügung mit der Bestimmung eines neuen Erben vorbereiten, bis zu deren Errichtung indes die alte fortgelten sollte.“. Derartige Zweifel sollen hier bestehen, weil die Erblasserin noch kurz vor ihrem Tod Dritten gegenüber geäußert habe, ihre Brüder, die Beteiligten zu 2 und 3, sollten nichts bekommen.

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig und auch in der Sache erfolgreich. Der Senat teilt die Ansicht des Nachlassgerichts, wonach sich ein Widerrufswille seitens der Erblasserin nicht feststellen lasse und deswegen das handschriftliche Testament vom 07.03.2020 fortgelte, nicht.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das formwirksam am 07.03.2020 errichtete Testament, das über alle drei Blätter, die für sich nicht miteinander verbunden sind, jeweils Durchstreichungen enthält, die den gesamten Text umfassen, von der Erblasserin in Widerrufsabsicht durchgestrichen worden ist, oder ob die Durchstreichungen von einer dritten Person, oder aber von der Erblasserin, aber nicht in Widerrufsabsicht, erfolgt sind.

Grundsätzlich trägt derjenige die Feststellungslast für die Wirksamkeit eines Testaments, der Rechte aus diesem herleiten will. Die Feststellungslast für eine Widerrufshandlung des Erblassers in Widerrufsabsicht trägt derjenige, der sich darauf beruft (BayObLG, Beschluss vom 22.07.1983, 1 Z 49/83). Falls sich die vorhandene Urkunde bis zuletzt im Gewahrsam des Erblassers befand und keine ernsthaften Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Veränderungen an der Urkunde von Dritten vorgenommen worden sind, sind die Anforderungen an den Beweis, dass die Veränderung der Urkunde auf eine Handlung des Erblassers zurückzuführen ist, nicht hoch anzusetzen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat davon überzeugt, dass die Erblasserin das fragliche Testament vom 07.03.2020 in Widerrufsabsicht vernichtet hat.

Nach den vom Nachlassgericht durchgeführten Ermittlungen und der Beweisaufnahme vor dem Senat befand sich das Testament bis zum Tode der Erblasserin in deren Besitz. Der Beteiligte zu 1 schildert im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat, dass er das Testament in einem Stapel mit alten Zeitungen, Zeitschriften, Kontoauszügen und Katalogen gefunden hat. Dass es dort dem ungestörten Zugriff Dritter ausgesetzt war, lässt sich praktisch ausschließen, zumal sich die Erblasserin in der letzten Phase ihres Lebens überwiegend auf der Couch im Wohnzimmer aufhielt. Da die Erblasserin zudem als Person mit wenigen sozialen Kontakt beschrieben wurde, kann zur Überzeugung des Senats ausgeschlossen werden, dass Dritte zu Lebzeiten der Erblasserin Zugriff auf das Testament hatten und die Veränderungen vorgenommen haben, zumal nach der durchgeführten Anhörung der Beteiligten zu 2 und 3 feststeht, dass diese zu Lebzeiten keinen Zutritt zur Wohnung der Erblasserin hatten, da zwischen den Geschwistern seit vielen Jahren kein Kontakt mehr bestand.

Dass die Veränderungen nach dem Tod der Erblasserin und vor Abgabe der Verfügung an das Nachlassgericht von Dritten vorgenommen worden sind, ist nach der durchgeführten Anhörung der Beteiligten ebenfalls auszuschließen. Der Beteiligte zu 1, der durch das Testament als Erbe berufen wurde, hatte zwar Zutritt zur Wohnung, da er über einen Schlüssel verfügte, aber keinerlei Interesse daran, die Veränderungen an der Urkunde vorzunehmen. Im Gegenteil: Er suchte das Testament und fand es schließlich in einem Stapel von alten Zeitungen und Zeitschriften. Es kann deswegen ausgeschlossen werden, dass der Beteiligte zu 1 die Veränderungen vorgenommen hat.

Die Beschwerdeführer hatten lediglich im Anschluss an die Beerdigung der Erblasserin Zutritt zu deren Wohnung und dort nach eigenem Bekunden lediglich Zugriff auf alte Familienfotos, die im Wohnzimmer der Erblasserin verstreut lagen. Für die rein theoretische Möglichkeit, dass sie sich bei dieser Gelegenheit einen Schlüssel zur Wohnung verschafft hätten und das später aufgefundene Testament verändert haben, ließen sich keine Anhaltspunkte finden. Das Testament befand sich mithin bis zum Tode im Besitz der Erblasserin. Der Senat ist aufgrund der von ihm durchgeführten Anhörung überzeugt, dass Dritte die Veränderungen an dem Testament nicht vorgenommen haben, sodass daraus zu schließen ist, dass die Erblasserin die Streichungen vorgenommen hat. Gemäß § 2255 S. 2 BGB wird mithin vermutet, dass die Erblasserin die Streichungen in Widerrufsabsicht vorgenommen hat.

Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Erblasserin, entsprechend der vom Nachlassgericht herangezogenen Entscheidung des OLG Düsseldorf, die Absicht hatte, das durchgestrichene Testament fortgelten zu lassen, bis sie eine neue Verfügung errichtet hatte, die Vermutung des § 2255 S. 2 BGB mithin widerlegt wäre.

Der letzte Kontakt der Zeugin, die aussagte, die Erblasserin habe kurz vor ihrem Tod erklärt, ihre Brüder sollten nichts bekommen, fand zwei Wochen von deren Tod statt. Für den Zeitraum danach liegen keine Anhaltspunkte in diese Richtung vor. In dieser Zeit kann es ohne weiteres zu einem Sinneswandel bei der Erblasserin gekommen sein, der sie veranlasst hat, die Streichungen auf ihrem Testament vorzunehmen.

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Über den Autor

Klaus Dieter Girnt, lightzins eG

Klaus Dieter Girnt

Vorstand der lightzins eG

Klaus Dieter Girnt setzt sich seit mehr als 30 Jahren dafür ein, dass Menschen im Alter Ihren Lebensstil beibehalten können und alle Möglichkeiten nutzen, um ihre individuellen Wünsche und Bedürfnisse bestmöglich abzusichern. Girnt ist u.a. Dozent bei der VHS Bochum, Berufs-Nachlasspfleger (DVEV), Testamentsvollstrecker (DVEV), Bafa- und KfW-akkreditiert und Gründungsmitglied der lightzins eG.